|
WEISSE WAENDE - FREI ERFUNDEN
Die Betonung liegt natürlich auf "frei" - weil erfunden ist sowieso alles.
Zumindest dann, wenn es anhörbar, sehenswert oder sonstwie ein
künstlerischer und intellektueller Genuß ist. Die Realität ist, wie wir
wissen und jeden Tag aus der Zeitung aufs neue bestätigt bekommen, schwer
überschätzt. Pfui.
Wir haben ein Recht auf die Phantasie, die Erfindung, den kreativen Impuls.
Uns braucht man nichts mehr über Produktionsbedingungen, die Leiden des
jungen Songwerthers oder die endlose Krise der Plattenindustrie zu erzählen.
Das sind alles Relikte aus dem vorigen Millennium: jahrelanges Proben in
stickigen Kellerräumen, tagelange Isolation in überteuerten Studios, auf
jeden Fall zu langes Herumlümmeln auf der Bühne, wo man die eingelernten
Songs brav repetiert, bis zum überdrüssigen Erbrechen, ohne viel
Abwechslung. Langweilig ist das, für den Musiker genauso wie für den
Zuhörer.
WEISSE WAENDE sparen sich diesen Jammer. Sie improvisieren, live und vor den
Aufnahmegeräten, erfinden ihre Songs jedesmal neu, sowohl musikalisch als
auch textlich, aber niemals chaotisch und unstrukturiert. Das haben
phantasievolle Menschen nämlich nicht notwendig.
Die neue CD von WEISSE WAENDE heißt "Frei erfunden", aber Sie können sie
auch "Überall Frösche" nennen, so wie ich das tue. Sie fängt allerorten an
und hört nirgendwo auf - und der Computer behauptet sowieso, daß mein
Lieblingslied eigentlich "Überfall Frösche" heißt, was schon wieder viel
über die Musik sagt, die man da zu hören bekommt.
Ich will Ihnen hier nichts über den Instrumentalisten Karl Ritter und den
Sprechsänger Christian Reiner erzählen; das können Sie selbst herausfinden,
wozu haben Sie denn einen Computer?! Das wahre Problem und mehrdimensionale
Ereignis ist der Schlagzeuger, ein gewisser Pirker - wie man hört, der "Dr.
Mabuse" dieser Formation (in dieser Gestalt wird er übrigens auch auf dem
Tonträger verewigt). Aber der Pirker könnte jeder sein, zum Beispiel der
Mann, der lieber "Astronaut" wäre, oder der Förster, der das "Kleine Mädchen" ansingt, daß es mit ihm frühstücken gehen soll, oder gar das Schaf, das da
mit einer Schwester unterwegs ist, eventuell sogar "Bernd". Der Pirker ist
der Mann mit den 1000 Gesichtern, der auch den Rest der WEISSEN WAENDE immer
überrascht: Wird er heute da sein? In welcher Gestalt? Was wird er spielen?
Und warum?
Er ist ein Geheimnis. Und da bleibt dieser Gruppe dann auch gar nichts
anderes übrig, als zu improvisieren. Die Songs passieren fast wie von
selbst, die plötzlich vom Himmel fallenden Ohrwürmer, die Hits aus dem
Paralleluniversum, die richtigen Schlager ... und auf einmal tut der Pirker
wieder, was er tun muß, und alle sagen: "Na, jetzt ist aber wieder Schluß
mit den Songs!" Und sie haben recht, logisch, weil das freie Erfinden ihnen
viel mehr Möglichkeiten offenläßt (und zwar nicht nur die, das Mysterium
Pirker ordentlich zu würdigen).
Die Aufnahmen von WEISSE WAENDE sollte man mit der nächsten Weltraumkapsel,
die unser Sonnensystem, unsere Galaxie, unseren Kosmos verlassen will, ins
All schicken, als goldenen Tonträger mit einem Bild von Donald Duck drauf,
oder auch mit altmodischen Schattenspielen und einem gewachsten Schnurrbart.
Dann können die Aliens endlich den absurden Waldheim-Soundtrack vergessen,
den wir ihnen beim letzten Mal übermittelt haben; dann wird Frieden sein
zwischen den Sternen; dann schicken sie uns vielleicht als Belohnung ihren
eigenen Pirker ... wer WEISS?
E WAENDE.
"Frei erfunden". Gern auch als Klingelton erhältlich.
Gott mit Ihnen!
Pater Michael Hass
|
|