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PERNES • RITTER • EDER - "SONNWENDE"
Das Wichtigste beim Walzen ist immer der erste Schritt: einszweidrei, rumms-tidi. Die andern zwei schlappen nach. Beim bäurischen Vorläufer des städtischen Walzers, dem Ländler, wird auf der Eins sogar noch extra aufgestampft, das Knie hochgerissen, neu Schwung genommen. Freilich ist es nicht der gemeine Feld-Wald-Wiesen-Ländler aus der Volksmusikhitparade, den man auf dieser köstlichen kleinen Maxi-CD namens "Sonnwende" trapsen hört, sondern was Spezielles: etwa ein "Steirischer mit G'schleunigem Landler", der, rumms-tidi, immer wilder und schriller wird, bis Töne hineinpurzeln, die gar nicht hierhergehören: nölt der Synthesizer, zirpt eine Countrygitarre. Flüstert einer: tschukki-duppdupp. Grölen drei wilde Kerle ein derbes Loblied auf das Altausseer Land. Schon vorbei. Schon schlappt es weiter, diesmal schubertsch gesittet auf einem einsam scheppernden Hammerklavier. (teepee records 3, Extraplatte, Bezug über EFA).
Zum ersten Mal haben diese drei vor über zehn Jahren zusammen musiziert, für das Ballett "Alpenglühn" an der Wiener Staatsoper: Der Avantgardekomponist Thomas Pernes (Tasteninstrumente), der Volksmusikant Georg Eder (Ziehharmonika) und der Rockgitarrist Karl Ritter von der Truppe Ostbahn-Kurti (Gitarren). Der Erfolg war riesig, aber auch der Erkenntnisschock darüber, wie dicht miteinander verwachsen und wie frisch noch die Wurzeln sind von feiner Klassik-, heißer Rock- und herziger Volksmusik. Wenn nur einer sich traut, sie freizulegen. Und wenn drei wie diese einander trauen beim Musizieren: Pernes, Ritter und Eder, rumms-tidi! Gottlob, jetzt spielen sie wieder zusammen.
Eleonore Büning (Die Zeit))
Schubert, Keyboards und die Knopferlharmonika
Thomas Pernes realisiert, noch bevor in Wien über "offene Regionen" diskutiert wird, sein eigenes grenzüberschreitendes Projekt: Ein Avantgardist entdeckt Schubert.
"Das ist ja", sagt er, "einer der Hauptgründe, daß wir keine Subventionen bekommen." Thomas Pernes, einst führender Kopf der jungen Wiener Avantgarde, hat Schubert entdeckt, behauptet, man könne mit dem romantischen Erbe, aber auch mit Ländlern und Jodlern heute noch etwas anfangen - und will den Beweis dafür antreten.
"Das", so kommentiert er die Haltung der offiziellen Musikunterstützer unseres Landes, "darf heute noch immer nicht sein"; man hat auf Kuratorenseite seine Vorstellungen, was Avantgarde ist und was nicht. Letzteres muß schauen, wo es bleibt.
Es bleibt, im Falle von Thomas Pernes, zum Beispiel in den CD-Playern so unterschiedlicher Konsumenten wie Wiener Intellektuellen und Salzburger Sennerinnen. Seit kurzem arbeitet der Komponist in Trio-Formation, mit Karl Ritter, einem Mitglied von Ostbahn-Kurtis Band, und Georg Eder, einem Virtuosen auf der Knopferlharmonika.
Mit Eder hat Pernes schon zusammengearbeitet, als er 1983 daran ging, Volksmusik aus dem Ausseerland mit eigenen avantgardistischen Versuchen zu einem Werk namens "Alpenglühn" zu verdichten (von Bernd Bienert an der Staatsoper dann faszinierend vertanzt).
Jetzt dient "Alpenglühn" als Basis für neue Kreationen des Trios "Ritter, Pernes, Eder", die am Donnerstag (19 Uhr) in der Wiener Alten Schmiede zu hören sein werden. Da erreicht man zwar avantgardistische Bereiche, nimmt aber eben auch bei Franz Schubert Maß. Nicht von ungefähr: "Wenn man erkennt, daß sechzig Jahre Avantgarde in eine Sackgasse geführt haben, kann man nicht auf Dauer die Augen verschließen und so tun, als ginge das alles ad infinitum so weiter" (Pernes).
Vielleicht bringt die neue Melange aus "E" und "U" und "Ethno", aus"Avantgarde" und "Reaktion" den ersehnten Urknall - oder jedenfalls die Sprengung all dieser Begriffe, die den freien Blick aufs Wesentliche, auf die klangliche Realität der Musik nämlich, eher verstellen als ihn fördern ...
Wilhelm Sinkovicz (Die Presse, 13. März 1996)
Pressetext zu "Sonnwende"
PERNES EDER RITTER
"S O N N W E N D E"
Thomas Pernes: Komposition, Arrangement und Tasteninstrumente
Georg Eder: Diatonische Harmonika
Karl Ritter: Akustische Gitarre
"SONNWENDE" entstand 1995 in Erinnerung und Fortsetzung an die Musik "ALPENGLÜHEN", welche von der Wiener Staatsoper
unter der Direktion Lorin Maazel an Thomas Pernes in Auftrag gegeben und unter Mitwirkung der "Ausseer Bradlmusi"
am 17. Juni 1984 im großen Haus uraufgeführt wurde:
"Alpenglühn: Ein Triumph" (Bühne).
"Gebündelte Konzentration des konstruktiv-expressiven Elans geht mit der möglichst kompromißlosen Ausformung geradezu
schrankenloser Subjektivität einher." / Zitat Wolfgang Hofer in der "Presse". Und weiter:
"Eine Allianz von Volksmusik und Synthesizer, produktive Liaison von Improvisation und präziser struktureller Konzeption.
Das Ganze dann als Gastspiel in Washington, Kennedy Center for the Performing Arts, mit Marta Istomin-Casals,
einer First Lady der amerikanischen Kulturszene, als Patin des Projekts..."
Von "Alpenglühn", dieser Analyse österreichischer Volksmusik aus dem Ausseer Raum, von Thomas Pernes in ein
musikdramatisches Werk eingearbeitet, nun über 10 Jahre später zur "SONNWENDE", der Synthese und Rückführung zum
Ursprünglichen:
"Sonnwende" ist eine Rückführung zur Volksmusik selbst, welche durch intensive und behutsame Betrachtung jeder Phrase,
jedes einzelnen Tones, gleichsam auf ein Podest gehoben und damit zum Kunstwerk wird.
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