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Gitarrenmäßig war er ja eigentlich ein Spätentwickler, der Herr Ritter. 1965, im unschuldigen Alter von sechs Jahren, trieben seine wohlmeinenden Eltern ihn nämlich in ein Geigenstudium, das immerhin sechs lange Jahre dauerte.
Dann jedoch dräute die Pubertät am Horizont. Und der Karl entdeckte die Gitarre. Gar nicht im Zusammenhang mit lauter Rockmusik, wie man eventuell vermuten könnte, sondern als sinnliches Erlebnis. Er war vom hölzernen Körper und den stählernen Saiten des akustischen Instruments so fasziniert, wie man es in dem Alter normalerweise nur vom anderen Geschlecht ist. Und er wollte wissen, wie sich dieses Ding anhören kann, was sich alles damit machen läßt, wie daraus Musik entsteht. So brachte er sich anfangs selbst zwei Griffe bei, später dann noch viele mehr, und erarbeitete sich über Jahrzehnte hinweg das technische Niveau, auf dem er auch heute noch nicht stehenbleiben will. Karl Ritter erlernte das Gitarrenspiel großteils als Autodidakt (oder "im Autodiktat", wie er später gern erzählen sollte), indem er eigene Kompositionen erarbeitete - weil man das, was im heranwachsenden Kopf passiert, ja auch künstlerisch umsetzen muß, damit es einem nicht irgendwann in den Rücken fällt...
Die "richtige" Karriere für den Freund des reinen Klangs begann 1980, mit Erscheinen der im Eigenverlag veröffentlichten LP "Karl Ritter - Ex-podo-Z". Es sollte nicht mehr lange dauern, bis er dann seinen erlernten Brotberuf (ein anständiges Handwerk übrigens) aufgab und sich ganz der Musik widmete. Erst waren es Auftragsarbeiten für das Wiener Renaissance-Theater und Hörspielproduktionen für ORF und BR; und dann, 1988, wurde der Karli dann plötzlich zum Gitarrenhelden für die Massen: als atemberaubender Betätiger des Stromruders in der Favorit'n'Blues-Band Ostbahn-Kurti und die Chefpartie. Unter dem Pseudonym "Prinz Karasek" demonstrierte er der staunenden Öffentlichkeit, daß man auch hierzulande in Sachen Rock'n'Roll, Blues und Slide Guitar nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen war, sondern durchaus mit amerikanischen Vorbildern mithalten konnte.
Wissenswertes über die restlichen Sprossen der Karriereleiter des Karl Ritter entnehmen Sie bitte aus der Zeittafel. Besonders hervorgehoben seien hier nur Highlights wie die Solo-Performance "Dobromann" (eine wunderschöne CD, die bis heute nichts von ihrem musikalischen Überraschungseffekt verloren hat), die Mitwirkung - diesmal unter eigenem Namen - in Kurt Ostbahns Kombo, gelungene Soundtracks zu österreichischen Filmen wie "Schwarzfahrer" und "Blutrausch", die Gründung der einzig wahren Spontan-Rock/Improvisations-Band Sel Gapu Mex, viele musikalische Kooperationen, u. a. mit Thomas Pernes und Otto Lechner, und die Arbeit an Musikinstallationen.
Und jetzt, im Jahr des Herrn 2004, steht Karl Ritters neue Solo-CD "Atmen" auf dem Programm. Weil Atmen in Zeiten wie diesen, wo man bei all der akustischen und gedanklichen Verschmutzung kaum noch Platz und Muße zum Luftholen findet, ein wahrer Luxus ist. Und weil der Ritter Karli und seine Akustikgitarre diesem Luxus mit neuen Klangsphären eine solide Unterlage liefern, ohne dabei je in New-Age-Esoterik-Klischees zu verfallen. Stattdessen kramt der Komponist und Musiker hier Kinderlieder, Blues-Fragmente und Traumklängen aus seinem Gedächtnis hervor, um sie zu akustischen Gemälden zu verarbeiten, bei denen die Kunst der Pause genauso wichtig ist wie die des richtigen Tons zur rechten Zeit.
Ob ihm das mit der Violine auch so gut gelungen wäre? Wir wissen es nicht. Und wir haben auch keinerlei Grund dazu, wirklich darüber nachzudenken. Solange uns Karl Ritter solchen Stoff liefert, atmen wir lieber mit ihm mit...
Peter Hiess
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